[BLOG] OPEN SOURCE ALTERNATIVEN FÜR MEDIENPRODUKTIONEN

Wer sich nicht für 59,49€ monatlich in der Adobe-Abowelt einsperren lassen möchte, kann auf die niederschwelligen, professionellen Open Source Projekte zurückgreifen, die für alle, unabhängig vom Budget zur Verfügung stehen. Frei für alle, für immer.

Ich benutze diese Programme fast täglich. Sie sind in den letzten Jahren einen weiten Weg gegangen und viele von ihnen bekommen auch in den Branchen immer mehr Anerkennung – manche von ihnen stehen zB. den Adobe Programmen in Sachen Professionalität um nichts nach.

Foto & Grafik

Gimp (Gnu Image Manipulation Program) ist ein alter Hase – seit 1995 ist es die freie alternative für Photoshop. Auch im Aufbau ähnelt es dem kommerziellen Kollegen. Beim Umstieg sind sicher einige Tastenkürzel gewöhnungsbedürftig. Gimp wird von freiwilligen, vor allem in Europa entwickelt. Bald wird die langersehnte Version 3.0 erscheinen. Es eignet sich gut für alle Arten der Bildmanipulation und Komposition – für Fotobearbeitung würde ich eher zu einem der folgenden zwei Projekte greifen.

RawTherapee ist eine spezialisierte Software um RAW-Fotos zu entwickeln. Es hat viele präzise und hochprofessionelle Tools, eine übersichtliche und schöne Oberfläche und sehr viele Einstellungsmöglichkeiten. Eignet sich aber nicht zum verwalten großer Fotobibliotheken – eher zum Bearbeiten ausgewählter Fotos. Das dafür beinahe ohne Kompromisse.

Darktable ist ebenfalls ein Foto-Editor. Er kommt den Funktionen von Adobe Lightroom Classic am nächsten. Auch für die Vorbereitung für Prints eignet es sich gut. Was Darkroom allerdings ebenfalls nicht gut kann ist das Management von großen Fotobibliotheken. Wer sich in Adobe Lightroom wohl fühlt, wird sich auch hier schnell zurecht finden.

Inkscape zur Erstellung und Bearbeitung von Vektorgrafiken. Seit 2004 in Entwicklung. Alternative für Adobe Ilustrator.

Affinity ist ausnahmsweise in dieser Auflistung keine Open Source Software und leider auch nicht für Linux verfügbar und kostenpflichtig. Ich möchte es dennoch erwähnen, weil die drei Softwarepakete (Affinity Foto, Affinity Publisher und Affinity Designer) die besten Alternativen für Adobe im Grafikbereich sind. Der (einmalige!!) Preis von derzeit 27,99€ pro Softwarepaket ist fair. Kurz gesagt: Im Vergleich zu Adobe Photoshop/Indesign/Illustrator ist das Angebot um Welten besser.

Video & Musik

Blender ist eins der vielseitigsten und derzeit am stärksten weiterentwickelten freien Programme. Blender bietet 3D-Animation, VFX, Compositing, Modeling, Sculpting, einen hervorragenden 3D Motion Tracker, Animation & Riggin, 2D Art, Video Editing… kaum etwas, was man mit Blender nicht umsetzen kann. Durch die vielen Funktionen ist die Lernkurve eher steil. Die Oberfläche ist aber logisch und aufgeräumt. Im August 2021 wird die Version 3.0 erscheinen. Es gibt eine rießige Blender Community und massenhaft hochwertige Tutorials. Für viele 3D-Artists ist Blender der niederschwellige Einstieg – und heute eine branchenweit anerkannte Software. Ersetzt hervorragend Adobe After Effects oder Cinema4D bzw Maya.

Natron ist ein Open Source Compositor. Gut für Rotoscoping und 2D Tracking, als Alternative für Adobe After Effects. Es hat solide Funktionen und einen übersichtlichen Node-basierten Workflow. Die meisten Funktionen finden sich allerdings auch in Blender – ich persönlich erledige sie dann auch lieber dort..

VLC der Medienplayer dürfte den meisten bekannt sein. Er verwendet im Hintergrund die freie Codec Library ffmpeg und kann daher so gut wie jedes Medienformat abspielen. Was nicht alle wissen ist, dass es sich auch gut eignet um zwischen Formaten zu konvertieren oder sogar einen schnellen Streaming Server aufzusetzen.

OBS ist unter vielen Medienschaffenden zur Standardstreaminglösung geworden. Man kann Kompositionen aus verschiedenen Quellen, von Screensharing bis zu externen SDI Inputs erstellen und live mixen, streamen und aufzeichnen. Im Hintergrund arbeitet auch hier wieder ffmpeg, was OBS viele Formate unterstützen lässt. Es lässt sich auch vielseitig konfigurieren um zB. Skype Gespräche via NDI aufzuzeichnen. Kann in vielen Fällen einen Bildmischer (zB Blackmagic Atem) ersetzen.

Ardour ist eine multitrack DAW, die vom Aufbau an ProTools von Avid erinnert. Unterstützt AudioUnit, VST und LV2 Plugins.

Audacity ist wahrscheinlich das wenigsten gemochte Programm in dieser Liste, das trotzdem schon lange viele Menschen verwenden. Mit diesem Audioeditor kann man einfache Manipulationen und Aufnahmen machen. Eignet sich nur sehr begrenzt zur Musikproduktion, ist aber ein gutes Basistool um schnell Audiofiles zu bearbeiten.

Kdenlive ist ein Multitrack Video-editor. Gute und stabile Basisfunktionen. Für erweitertes Composting oder größere Projekte würde ich persönlich allerdings schnell an die Grenzen des Programms stoßen.

Blackmagic Davinci Resolve ist eine weitere Ausnahme in dieser Liste, da es nicht Open Source ist. Allerdings bekommt man mit Davinci Resolve gratis eine voll ausgestattete Videoschnittumgebung, inklusive bestmöglicher Farbkorrektur, zahlreiche Effekte, Audiomischung, etc. Es gibt auch eine Linux Version, die mit diesem Tool auf Debian basierten Distros lauffähig ist. Wer noch mehr Funktionen und Effekte braucht, kann mit einer einmaligen Zahlung zu Davinci Resolve Studio upgraden – dann werden auch ein wenig mehr Video & Audioformate unterstützt. Davinci Resolve ist die beste Option für Videoschnitt auf Linux!

Pure Data ist eine visuelle Programmiersprache für echtzeitbasierte Multimediaprogramme, die vergleichbar ist mit dem kommerziellen Projekt Max.

– Das Kommandozeilentool FFmpeg darf an dieser Stelle nicht fehlen. Es ist die Basis für viele der oben genannten Softwarepakete und eines der mächtigsten Tools in der Multimediaproduktion. Man kann damit in alle gängigen Formate kodieren, transkodieren, streamen, muxen, packen. Seine ganze Kraft entfaltet es in der Kommandozeile – wer ffmpeg beherrscht, hat beinahe eine Superkraft. Wer gar nichts mit der Kommandozeile anfangen kann, kann manche wenige Funktionen von ffmpeg auch über eine Oberfläche wie Handbrake benutzen.

Was fehlt?

Kann man einen kompletten, professionellen Audio/Video Workflow einrichten, für den man keinen Cent Softwaregebühren ausgeben muss? Ja! Ich war am Anfang des Umstiegs skeptisch, aber es geht besser als gedacht und es kommt nur selten vor, dass ich eine Funktion vermisse.

Wofür ich aber auch nach langer Recherche auf Linux keine guten Lösungen gefunden habe ist Software für die Verwaltung und Organisation von großen Fotobibliotheken (wie Lightroom Classic). Und für Videoschnitt kenne ich keine Projekte, die mich komplett überzeugt hätten, dass sie es mit zB Adobe Premiere aufnehmen könnten. Die proprietäre gratis Version von Davinci Resolve, die total super ist, hilft einem hier unter Linux ordentlich – was aber fehlt ist der Support für verschiedene Codecs, da hier kein ffmpeg im Hintergrund werkelt. H264 Encoding unter Linux funktioniert z.B. einfach nicht.

Die genannten Projekte sind mal mehr, mal weniger branchenüblich. Die Sache ist aber, dass man die Programme viel besser an seine Bedürfnisse anpassen kann – man kann genau nachvollziehen, wie sie funktionieren, sich selbst an der Entwicklung beteiligen und der Community etwas zurück geben. Abgesehen davon, dass die Idee freier Software großartig ist, hier wird etwas gemeinschaftlich für alle geschaffen. Sowohl wenn man neu ist und noch lernt, als auch wenn man professionell damit arbeitet lohnt es sich diese Programme anzueignen – sie gehören dann zu seinem Werkzeugkasten, der einem niemand mehr wegnehmen kann.